Vergütungsrisiko: Der Widerruf eines Verbrauchers im Bauvorhaben– auf den Vertragsschluss kommt es an!

Verträge werden in der Baupraxis in vielfältigen Konstellationen geschlossen, z.B. unmittelbar vor Ort auf der Baustelle oder ein Nachtrag per E-Mail. Vorsicht ist dort geboten, wo unerkannt gebliebene Verbraucherrechte ein Vergütungsrisiko darstellen können. Denn Verbraucher-Widerrufsrechte sind nicht exklusiv dem Online-Shopping vorbehalten.

Hier im Fokus: Der (nicht standardisierte) Vertragsschluss mit einem Verbraucher.

Ein unternehmerisches Risiko besteht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen aufgrund eines möglichen Widerrufsrechts. Bei fehlender Belehrung über das Widerrufsrecht verlängert sich das Recht zum Widerruf auf 1 Jahr und 14 Tage und es droht der (vollständige) Ausfall der Vergütung.

Eine kurze Einordnung anhand von zwei entschiedenen Fällen:

Entscheidung des EuGH vom 17.05.2023, C-97/22

Den „Nulltarif“ hatte der EuGH im Mai 2023 bestätigt: Der Vertrag über Elektroinstallationen war (mündlich) auf der Baustelle geschlossen worden. Daher handelte es sich um einen Vertrag, der bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien außerhalb von Geschäftsraumen des Unternehmers geschlossen worden war. Der Bauherr hatte ein Widerrufsrecht, der Unternehmer jedoch (aus Unkenntnis) nicht darüber belehrt. Nach Einbau und Abschluss der Arbeiten widerrief der Bauherr als Verbraucher den Vertrag. Er hatte weder eine Vergütung für die Leistungen zu zahlen noch die erhaltene Wertsteigerung auszugleichen. Ergebnis: Der Bauherr erhielt die Handwerkerleistungen zum „Nulltarif“.

Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 06. Juli 2023, VII ZR 151/22

Ähnlich, jedoch in einem entscheidenden Detail anders, war folgender Fall: Die Bauherren beauftragten einen Dachdeckerbetrieb mit Sanierungsarbeiten an ihrem Haus. Während der Arbeiten entdeckte ein Mitarbeiter einen zusätzlichen Mangel. Der Dachdecker hatte den Bauherren daraufhin telefonisch mitgeteilt, dass die Zusatzarbeiten auf Nachweis miterledigt werden könnten. Am Folgetag war der Dachdecker persönlich auf der Baustelle. Der Bauherr beauftragte die Zusatzarbeiten. Nach vollständiger und mangelfreier Ausführung der Aufträge widerriefen die Bauherren u.a. den Zusatzauftrag und forderten die Rückzahlung der Vergütung. Sie beriefen sich auf einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag und die fehlende Widerrufsbelehrung.

Der BGH stellte klar, dass hier kein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag vorliegt. Der Vertrag war nicht bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit der Parteien außerhalb des Geschäftsraums geschlossen worden, da das Angebot des Unternehmers bereits vom Vortag war. Der BGH legt den Wortlaut („Vertrag bei gleichzeitiger Anwesenheit geschlossen“) dahingehend aus, dass sowohl Angebot als auch Annahme bei gleichzeitiger Anwesenheit erfolgen müssen. Hier wurde das – in Abwesenheit abgegebene – Angebot vom Vortag am Folgetag – bei gleichzeitiger Anwesenheit – nur angenommen. Daher waren die Voraussetzungen nicht erfüllt.

Auch eine zweite Variante des außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags sah der BGH als nicht erfüllt an. Diese setze voraus, dass der Verbraucher bei gleichzeitiger Anwesenheit außerhalb des Geschäftsraums des Unternehmers ein Angebot abgebe. Hier hatte der Verbraucher die Annahme eines Angebots erklärt. Eine Ausdehnung des Wortlauts sah der BGH wegen der fehlenden Überrumpelung des Verbrauchers als nicht notwendig an.

Fazit und Ausblick

Beide Urteile verdeutlichen die komplexe Prüfung des Vertragsschlusses. Wegen des Vergütungsrisikos ist das Wissen um Verbraucherwiderrufsrechte unerlässlich und praxisrelevant. Widerrufsrechte kommen auch in der Baupraxis vor. Ein besonderes Risiko besteht darin, dass die Vertragsschlüsse – anders als im automatisierten Online-Handel – weit weniger standardisiert sind. Es ergibt sich eine Vielzahl an denkbaren Fällen. Solide Grundkenntnisse der rechtlichen Rahmenbedingungen und ein Bewusstsein für die Risiken sind daher unerlässlich.

Vorsicht ist geboten, die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich (!) auf E-Mails oder andere Fernkommunikationsmittel zu verlagern. Hierbei könnte es sich um einen Fernabsatzvertrag i.S.d. § 312c BGB handeln. Dieser räumt den Verbrauchern ebenfalls ein Widerrufsrecht ein. Dass dies auch in Bauvorhaben vorkommen kann, zeigt der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 30. Januar 2024, 21 U 49/23.

Eine „einfache“ Lösung ist, über das Widerrufsrecht nach § 312d Abs. 1 i.V.m. Art. 246a EGBGB zu informieren. Insbesondere bei einer nachträglichen Information sind aber Vor- und Nachteile für den Unternehmer genau abzuwägen.

Bei einer Kombination aus Vertragsverhandlungen und Gesprächen zunächst vor Ort und der Fortsetzung bis zum Vertragsschluss per E-Mail wird ein Widerrufsrecht regelmäßig nicht entstehen. Denn der Vertrag wird nicht bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien geschlossen. Mithin liegt kein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag vor. Gleichzeitig basieren die Vertragsverhandlungen und der Vertragsschluss nicht ausschließlich auf Fernkommunikationsmitteln, weswegen kein Fernabsatzvertrag vorliegt. Es empfiehlt sich, die zuvor geführten Gespräche auch in der Angebotsemail ausdrücklich aufzuführen, um die Fortwirkungen zu dokumentieren!

Außerdem besteht kein Widerrufsrecht im Rahmen von dringenden Reparatur- oder Instandhaltungsmaßnahmen, wenn der Verbraucher den Unternehmer aufgefordert hat, ihn aufzusuchen (§ 312g Nr. 11 BGB). Die Wirkung ist aber beschränkt! Dies gilt ausdrücklich nicht für alle Zusatzarbeiten, die über Reparatur und Instandhaltung hinausgehen. Hierfür besteht, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen, ein Widerrufsrecht.

Daneben ist auf den sog. Verbraucherbauvertrag, § 650i BGB, hinzuweisen. Dieser räumt ebenfalls ein Widerrufsrecht ein, aber wegen seines Inhalts. Ein Verbraucherbauvertrag hat den Bau eines neuen Gebäudes oder erhebliche Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude zum Inhalt (näher dazu der Beitrag meiner Kollegin RAin Kandzia vom 07.03.2024).

Florian Krugmann, Rechtsanwalt, f.krugmann@aln-partner.de

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