Verstößt die Vereinbarung einer qualifizierten Vergabeberatung mit Architekten oder Ingenieuren gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz?

Problemstellung

Einige Ingenieurkammern bieten über ihre Fortbildungswerke Lehrgänge zum qualifizierten Vergabeberater bzw. zur qualifizierten Vergabeberaterin an (nachf. nur qualifizierter Vergabeberater). Zu benennen ist beispielsweise die Kooperationsveranstaltung der Länderingenieurkammern und der Bundesingenieurkammer für Ingenieurinnen und Ingenieure. Die qualifizierten Vergabeberater werden von den beteiligten Ingenieurkammern in einer öffentlichen Liste mit Kontaktdaten geführt und beworben.

Der Inhalt des Lehrgangs zum qualifizierten Vergabeberater folgt zum Beispiel aus § 2 der Prüfungsordnung der Ingenieurakademie West gGmbH. Hiernach umfasst der Lehrgang eine dreitägige Weiterbildung. Sie besteht aus verschiedenen Ausbildungseinheiten sowie jeweils einer Teilprüfung. Der Lehrgang kann nach freiem Ermessen der Veranstalter auch ohne Anwesenheit der Teilnehmer an einem Ort online per Videokonferenz stattfinden. Der Inhalt der Ausbildung richtet sich nach dem Ausbildungsplan gemäß Anlage 1 zu § 2 der Prüfungsordnung.

Anlage 1 führt die Lehrgangsinhalte auf. Hierzu zählen u.a. die Grundzüge der Vergaberechts, die Vorbereitung eines Vergabeverfahrens, Strukturierung und Auftragswertermittlung, ebenso die Wahl der Vergabeart. Weiterhin zählen die Vergabeunterlagen und der Vertrag, die Zuschlagskriterien bis hin zum Nachprüfungsverfahren und nachträgliche Änderungen und neuer Ausschreibungen Gegenstände des Lehrgangs.

Die beschriebenen Inhalte betreffen somit schwerpunktmäßig die Leistungsphasen 6 und 7 des Objektplaners im Rahmen der Vorbereitung der Vergabe und der Mitwirkung an der Vergabe. Die Bezeichnung als qualifizierter Vergabeberater legt nahe, Architekten und Ingenieure speziell mit diesen Leistungen zu beauftragen, für die Sie im Rahmen des Lehrgangs fortgebildet worden sind. Den werblichen Anpreisungen zum qualifizierten Vergabeberater sind keine Vorgaben zu Mindestinhalten des Leistungssolls zu entnehmen. Es stellt sich die Frage, ob jegliches Leistungssoll gegenüber Architekten oder Ingenieuren wirksam vereinbart werden könnte oder ob rechtliche Grenzen oder Mindestanforderungen bestehen. Ferner stellt sich die Frage nach den Rechtsfolgen, wenn solche Grenzen oder Mindestanforderungen verfehlt werden?

Rechtliche Würdigung

Die Zulässigkeit der Erbringung von außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen bestimmt sich in Deutschland nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Eine Rechtsdienstleistung ist gem. § 2 Abs. 1 RDG jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Von dieser Legaldefinition ausgenommen sind die gem. § 2 Abs. 3 RDG abschließend aufgeführte Tätigkeiten, wie z.B. die Erstattung wissenschaftlicher Gutachten und bestimmte Formen der einvernehmlichen Streitbeilegung.

Die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen ist gem. § 3 RDG nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das RDG oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen im Rahmen der qualifizierten Vergabeberatung ergibt sich die Zulässigkeit der selbständigen Erbringung weder durch noch aufgrund eines anderen Gesetzes. Die qualifizierte Vergabeberatung ist gesetzlich nicht geregelt. Soweit die qualifizierte Vergabeberatung eine Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 1 RDG darstellen sollte, weil sie in konkreten fremden Angelegenheiten eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert, wäre die selbständige Erbringung deshalb gem. § 3 RDG unzulässig, es sei denn, sie wird durch das RDG erlaubt.

Zu prüfen ist somit, ob eine qualifizierte Vergabeberatung, sollte sie als eine Rechtsdienstleistung zu qualifizieren sein, nach dem RDG erlaubt sein könnte. Gerichtlich entschieden wurde bereits, dass die Tätigkeit eines Architekten in folgenden Fällen als Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 RDG qualifiziert wurde: so hat das OLG Düsseldorf die Erstellung eines Vergabevermerks, die Beantwortung von Bieterfragen, die Auswertung der Angebote und Fertigung des Aufklärungsschreibens im Rahmen eines Vergabeverfahrens als Rechtsdienstleistung beurteilt (OLG Düsseldorf, NZBau 2023, 60). Fener hat das OLG Koblenz die Beratung durch einen Architekten in einer unklaren Vertragssituation, ein konkretes Gestaltungsrecht (i.e. Kündigung) auszuüben, als Rechtsdienstleitung beurteilt, obwohl der Architekt mit weiteren Leistungen der Ausführungsplanung und Mitwirkung bei der Vergabe beauftragt war (OLG Koblenz, NZBau 2021, 187).

Die Rechtsfolgen einer verbotswidrigen Rechtsdienstleistung durch Architekten sind außerordentlich schwerwiegend. Sie führen zur Nichtigkeit, lösen Schadensersatzansprüche aus und lassen den Versicherungsschutz entfallen. Die Nichtigkeit der Vereinbarung über die Erbringung einer verbotswidrigen Rechtsdienstleistung durch einen Architekten folgt aus § 134 BGB iVm § 3 RDG. Schadensersatzansprüche lassen sich herleiten gem. § 311 Abs. 2 NR. 1 BGB i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB, § 280 Abs. 1 bzw. nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 3 RDG. Der Haftungsausschluss der Berufshaftpflichtversicherer beruht schließlich auf A1-3.5 der AVB für Architekten und Ingenieure. Hiernach sind Berufshaftpflichtversicherer für Ansprüche nicht einstandspflichtig, die aus Tätigkeiten resultieren, die über die im Versicherungsschein beschriebene Tätigkeit hinausgehen.

Erlaubt sind indessen Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- und Tätigkeitsbild gehören. Dies folgen aus §§ 3 und 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 RDG. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind. Der BGH bestimmt das Berufs- und Tätigkeitsbild des Architekten anhand der Definition des Architektenvertrags in § 650p Abs. 1 BGB: Danach erbringt der Architekt Leistungen, die erforderlich sind, um die vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen. In der Literatur wird dagegen für die Bestimmung des Berufsbilds eines Architekten auf die Regelungen über seine Berufsaufgaben in den Architektengesetzen zurückgegriffen. Hiernach zählen zu den Berufsaufgaben des Architekten auch die koordinierende Lenkung und Überwachung der Planung und Ausführung, die Beratung, Betreuung und Vertretung des Auftraggebers in allen mit der Planung und Durchführung eines Vorhabens zusammenhängenden Fragen. Dies folgt aus § 1 Abs. 5 Satz 1 des Architektengesetzes für Baden-Württemberg.

Je nachdem, wie man den Kreis der zulässigen Nebenleistungen eines Architekten beurteilt, ob unter Bezugnahme auf die gesetzliche Definition oder unter Rückgriff auf die berufsrechtlichen Bestimmungen der Architekten, liegt die Beratung des Bauherrn bei der Abfassung von Bauverträgen bzw. anderen Rechtsfragen im Zusammenhang der qualifizierten Vergabeberatung noch innerhalb oder schon außerhalb des nach dem RDG Erlaubten.

Zum Zwecke der Risikoabwägung aus Sicht der qualifizierten Vergabeberater liegt eine Orientierung an der obergerichtlichen Rechtsprechung nahe, um das Risiko der Unwirksamkeit eines Vertrags über die qualifizierte Vergabeberatung zu beurteilen. Hierbei rückt eine jüngere Entscheidung des BGH ins Blickfeld (BGH, Urteil vom 09.11.2023, Az, VII ZR 190/22, NZBau 2024, 32 – Skontoklausel). Der Entscheidung lag als Sachverhalt zugrunde, dass der Auftraggeber den Architekten mit Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 8 beauftragt hatte. Der Architekt stellte dem Auftraggeber unter anderem den Entwurf eines Bauvertrages mit einer von ihm vorformulierten Skontoklausel zur Verfügung. Der Auftraggeber verwendete den Vertragsentwurf gegenüber mehreren Bauunternehmern. Die Klausel des Architekten erwies sich als AGB-rechtswidrig, so dass der Auftraggeber trotz fristgerechter Zahlung keinen Skontoabzug in Anspruch nehmen konnte. Diesen Verlust machte der Auftraggeber als Schadensersatz gegenüber dem Architekten geltend – mit Erfolg!

Der Leitsatz der BGH-Entscheidung lautet:

Eine Vereinbarung, durch die sich ein Architekt verpflichtet, eine von ihm selbst entworfene, der Interessenlage des Bestellers entsprechende Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern zur Verfügung zu stellen, ist wegen eines Verstoßes gegen das in § 3 RDG geregelte gesetzliche Verbot nach § 134 GB nichtig.“

Der BGH bejaht einen Schadensersatzanspruch des Auftraggebers gegenüber dem Architekten. Die Nichtigkeit der Vereinbarung stehe zwar einem vertraglichen Schadensersatzanspruch entgegen. In Betracht komme jedoch ein Schadensersatzanspruch unter den Voraussetzungen der §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB oder nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 3 RDG. Erlaubt sei eine Rechtsdienstleistung im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit nur dann, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehöre. Zwar habe das Aufgabengebiet und damit das Berufsbild des Architekten in vielfacher Hinsicht Berührungen zu Rechtsdienstleistungen. Eine allgemeine Rechtsberatung werde vom Berufsbild des Architekten aber nicht erfasst, da es insoweit an einer hinreichenden juristischen Qualifikation fehle. Dies wäre mit dem Zweck des RDG, den Schutz der rechtssuchenden vor unqualifiziertem Rechtsrat zu gewährleisten, nicht zu vereinbaren.

Daran ändere auch die Benennung der Grundleistung „Mitwirkung bei der Auftragserteilung“ im vereinbarten Leistungsbild nichts (keine gesetzliche Erlaubnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen). Diese Regelung stelle mangels Ermächtigungsgrundlage weder unmittelbar noch mittelbar einen Erlaubnistatbestand gem. § 5 Abs. 1 RDG dar.

Diese strenge Haltung des BGH rät zur Vorsicht beim Abschluss von Planerverträgen, die auf die Erbringung von Rechtsdienstleistungen im Rahmen der qualifizierten Vergabeberatung gerichtet sein könnten. Dies gilt zunächst, wenn die Leistungen der qualifizierten Vergabeberatung den ausschließlichen Vertragsgegenstand bilden. Das Risiko verbleibt aufgrund der jüngsten Rechtsprechung aber auch, wenn die Vergabeberatung eine Nebenleistung zu weiteren Planungsleistungen des beauftragten qualifizierten Vergabeberaters als Architekt darstellt. Die jüngste BGH-Entscheidung wird in der juristischen Literatur zwar kritisiert (Preussner; NZBau 2024, 187, 195), weil der BGH die Tatbestandsmerkmale einer Erlaubnis nach § 5 Abs. 1 RDG nur unvollständig geprüft habe. Der BGH habe nicht geprüft, ob es sich bei der Erstellung einer Skontoklausel um eine nach § 5 Abs. 1 Satz 2 RDG erlaubte Nebenleistung handeln könnte. Der BGH verkenne damit, dass das Tatbestandsmerkmal Berufs- und Tätigkeitsbild im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG deutlich weiter zu fassen sei als es der BGH aus der gesetzlichen Definition des Planervertrags in § 650p BGB herleite. Denn dort würden lediglich schuldrechtliche Pflichten beschrieben, die einen Planervertrag charakterisierten. Die weiterreichenden Aufgaben eines Architekten nach den einschlägigen berufsrechtlichen Bestimmungen habe der BGH verkannt (Preussner; NZBau 2024, 187, 195).

Der Kritik der juristischen Literatur an der Begründung des BGH lässt sich viel abgewinnen. In der Tat kommt die Prüfung des Erlaubnistatbestandes als erlaubte Nebenleistung in den Entscheidungsgründen zu kurz. Wie dem auch sei, ist die Zulässigkeit einer rechtsdienstleistungsbezogenen Architektenleistung in jedem Einzelfall zu prüfen. Stellt die Rechtsdienstleistung des Architekten keine Nebenleistung mehr dar, weil sie den Schwerpunkt des vertraglich vereinbarten Leistungssolls darstellen, scheidet der Erlaubnistatbestand als erlaubte Nebenleistung gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 RDG von vorneherein aus. Aber auch bei Vereinbarungen als Nebenleistung sind die Übergänge fließend, wie die jüngste Rechtsprechung des BGH vom 09.11.2023 zeigt.

Fazit

Die qualifizierte Vergabeberatung erweist sich nach alledem als riskantes Tätigkeitsfeld für Architekten und Ingenieure. Den Berufsgruppen ist eine intensive Verbandsarbeit anzuraten, um eine gesetzliche Grundlage zu Erbringung von Rechtsdienstleistungen im Rahmen der qualifizierten Vergabeberatung herbeizuführen. Alternativ könnte die Ergänzung der Kataloge gem. § 2 Abs. 3 RDG oder gem. § 5 Abs. 2 RDG mehr Sicherheit für die Berufsausübung bringen. Solang weder eine gesetzliche Erlaubnis besteht noch vorgenannte Kataloge des RDG ergänzt worden sind, ist das Leistungssoll des qualifizierten Vergabeberaters mit größter Vorsicht zu formulieren. Die qualifizierte Vergabeberatung sollte stets als Nebenleistung zu einer planervertraglichen bzw. ingenieurvertraglichen Hauptleistung vereinbart werden. Außerdem sollte die Erbringung von Rechtsdienstleistungen für die Vereinbarung einer qualifizierten Vergabeberatung klarstellend ausgeschlossen werden.

Dr. Felix Nieberding, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, f.nieberding@aln-partner.de

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