Auch die Kosten eines privaten „Gegengutachtens“ sind im Nachbarrechtsstreit erstattungsfähig

Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschl. v. 12. Februar 2024 – 1 OA 67/23

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat in einer neuen Entscheidung den Weg für eine einfachere Kostenerstattung in baurechtlichen Nachbarklagen geebnet. Es führt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fort und gewährt unter bestimmten Voraussetzungen dem obsiegenden Kläger in der Drittanfechtungsklage auch eine Kostenerstattung für ein privates „Gegengutachten“.

Die Kostenerstattung im Verwaltungsprozess erfolgt nach § 161 Abs. 1 VwGO, wobei die allgemeinen Maßstäbe für die Erstattungsfähigkeit der Kosten angewandt werden: Erstattungsfähig sind nur solche außergerichtliche Aufwendungen, die ein verständiger Beteiligter, der bemüht ist, die Kosten gering zu halten, als notwendig ansehen durfte. Für die Erstattung der Kosten eines Privatgutachtens, welches der klagende Nachbar einholt, um seinen Vortrag zu substantiieren, nennt das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht weitere Voraussetzungen:

  • Die Einholung eines Gutachtens muss zur Vorbereitung des Verfahrens oder zur Erlangung der erforderlichen Sachkunde geboten sein,
  • es muss eine „prozessuale Notlage“ bestehen, die die Vorlage eines Privatgutachtens herausfordert,
  • das Gutachten muss inhaltlich auf die Förderung der Prozesslage zugeschnitten sein und
  • der Beteiligte muss das Gutachten auch formell in den Prozess einführen.

Das Gericht sah die Voraussetzungen in seiner Entscheidung als erfüllt an. Hintergrund des Falles war der Bau mehrerer Wohnhäuser in einem Erdfall- und Senkungsgebiet, wobei sich das Haus des Klägers unmittelbar neben den Baugrundstücken befand. Der Kläger befürchtete, dass der Bau auch Auswirkungen auf die Statik seines Wohnhauses haben könnte. Da aufgrund einer Nebenbestimmung der Baugenehmigung ein statisches Gutachten inhaltlich zum Teil dieser werden sollte, holte der Kläger ein eigenes privates Gegengutachten ein, um die Ergebnisse des Baugenehmigungsgutachtens prüfen zu lassen. Da der Kläger nicht über die notwendige Sachkunde verfügt und er diese jedoch für einen substantiierten Vortrag benötigte, waren auch die Kosten des Gutachtens nach § 161 Abs. 1 VwGO zu erstatten.

Die Maßstäbe des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes sind angemessen, um Nachbarn nicht davon abzuhalten, einen oft teuren Prozess gegen Baugenehmigungen zu führen. Dies ist auch erforderlich, um im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG effektiven Rechtsschutz zu gewähren. Es schafft somit neue Anreize für die Erhebung nachbarrechtlicher Klagen gegen Baugenehmigungen.

Eleni Kargidou, Rechtsanwältin, e.kargidou@aln-partner.de

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